Anrechnung von Auslandszeiten zur freiwilligen Krankenversicherung

Wer aus der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln will, muss verschiedene Voraussetzungen erfüllen. Die Rechtslage ist dabei relativ unübersichtlich. Es gibt verschiedene Wege für einen Wechsel, die machbar sind. Oft wird in diesem Zusammenhang von Tricks oder Kniffen gesprochen, die dabei angewendet werden müssen, um einen Wechsel hinzubekommen. Die Rentenberater und Rechtsanwälte von www.krankenkasse-wechsel-dich.de suchen im Einzelfall nach Lösungen und Antworten, die das Gesetz oder die Rechtslage bietet. Eine der Möglichkeiten ist der Wechsel aus der PKV in die GKV über das europäische Ausland. Dabei geht es unter anderem um die Frage, welche Vorversicherungszeiten aus dem Ausland in dem deutschen Recht bei der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung angerechnet werden.

 

Die Anrechnung von Auslandslandzeiten zur freiwilligen Krankenversicherung in Deutschland, wenn der Versicherte aus dem Ausland in das Inland wechselt oder besser, wenn der Deutsche, der im Ausland als Arbeitnehmer oder Selbstständiger erwerbstätig war, nach Deutschland zurückkehrt und in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln will.

 

Dabei geht es um eine folgende Fallgestaltung:

Sigrid Sorglos vollendete am 15.12.2016 ihr 55. Lebensjahr. Sie war bis zu dieser Zeit 10 Jahre privat krankenversichert und selbstständig in Deutschland als Ingenieur beruflich tätig. Vor ihrer Mitgliedschaft in der PKV war sie in der GKV pflichtversichert. Zum 31.12.2016 beendete sie ihre hauptberufliche selbstständige Tätigkeit in Deutschland. Sie nahm zum 01.02.2018 einen Job als Angestellte in Großbritannien an. Nach dem sie 1 Jahr dort gearbeitet hat, kehrt sie nach Hause zurück und beantragt bei der AOK die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung. Sie hat rechtszeitig zum 01.01.2017 ihre private Krankenversicherung gekündigt und war in England in der NHS pflichtversichert. Die NHS ist eine steuerfinanzierte Bürgerversicherung, in der die Versicherten keine eigenen Beiträge einzahlen müssen.

Sigrid Sorglos hatte gehört, dass sie einen Anspruch auf die Aufnahme in die freiwillig gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland hat.

Tatsächlich nimmt die AOK sie als freiwillig gesetzliche Krankenversicherte in der GKV als Mitglied auf.

Wenn die oder der Versicherte bei seinem Wegzug aus Deutschland in das europäische Ausland, zum Beispiel nach Italien, Niederlande, Norwegen, Schweden oder Tschechien, auswanderte und zuvor in Deutschland selbst freiwillig gesetzlich krankenversichert war oder ist, ist es diesem Versicherten seit dem 01.April 2007 nicht mehr möglich, seine freiwillige KV in Deutschland zu kündigen.

Jetzt stellt sich die Frage, warum dies bei Sorglos auch nach dem 55.Lebensjahr möglich ist?

 

Anrechnung von Auslandszeiten zur freiwilligen Krankenversicherung: Die Vorversicherungszeiten

§ 9 Absatz 1 SGB V setzt für die freiwillig gesetzliche Mitgliedschaft in der GKV folgendes voraus:

Der Versicherung können beitreten, Personen, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Kalendermonate versichert waren.

Sidrid Sorglos erfüllt nach deutschem Recht diese Vorversicherungszeiten. Warum ist das so?

Die Schnittstelle zu dieser Lösung ist der § 6 SGB IV. Diese Gesetzesnorm macht es möglich, dass für die Frage der Anwendung des Geltungsbereiches der Vorschriften des SGB V auch Regelungen des Zwischen- und überstaatlichen Rechts unberührt bleiben.

Damit eröffnet § 6 SGB IV die Anwendung der Vorschriften von europäischen Rechtsnormen und Verordnung, die zur Harmonisierung von sozialrechtlichen Vorschriften in der Vergangenheit erlassen worden sind.

Rechtsverordnungen sind:

  • Die EWG-Verordnung 1408/71
  • Die EWG-Verordnung 883/2004
  • Die Durchführungsverordnungen 987/2009

 

Nach Artikel 5 und 6 der Verordnung 883/2004, muss die Vorversicherungszeit, die Sorglos in Großbritannien für 12 Kalendermonate nachweisen kann, nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nr.1 SGB V im Rahmen der Gleichstellung berücksichtigt werden. Die Gleichstellung muss der Sozialversicherungsträger – hier die gesetzliche Krankenversicherung- vornehmen.

 

Für Großbritannien gilt unter Umständen auch der Artikel 9 Absatz der EWG-Verordnung 1408/71.

Dort steht sinngemäß geschrieben: „Ist nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates eine freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig, so werden die nach den Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaates zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten, soweit erforderlich, wie Versicherungszeiten des ersten Mitgliedstaates berücksichtigt, so wenn diese Zeiten dort zurückgelegt sind, Art.9 Absatz 2 EWG VO 1408/71.

Somit finden die Vorversicherungszeiten der Sigrid Sorglos, die diese vom 01.02.2018 bis zum 29.02.2019 als Pflichtmitglied in der NHS Großbritannien zurücklegt/e auf die Anspruchsvoraussetzung der freiwilligen KV in Deutschland nach § 9 Absatz 1 SGB V Anwendung.

Auf das Lebensalter der Sorglos kommt es daher nicht an. § 9 SGB V stellt nicht auf den Ausschlusstatbestand des § 6 Absatz 3 a SGB V ab.

Damit kann Sorglos auch nach der Rückkehr nach Deutschland mit über 55 Lebensjahren in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren. Sie muss nur die Fristen von 2 Monaten zur Aufnahme einer Beschäftigung einhalten und die Antragsfrist von 3 Monaten als Anzeige bei einer gesetzlichen Krankenversicherung (gilt auch für Selbstständige).

 

Anrechnung von Auslandszeiten zur freiwilligen Krankenversicherung: Stichtag Brexitregelung

Das Brexitreferendum kann die Anerkennung späterer Zeiten als zum 29.03.2019 unmöglich machen. Zu diesem Zeitpunkt endet die 24-monatige Übergangsfrist nach Art. 50 EUV-Vertrag. Der Austritt aus der EU wurde zum 30.03.2017 durch England erklärt. Ob danach andere Regelungen- wie Drittstaatenregelungen greifen oder neue SV-Abkommen mit Großbritannien abgeschlossen werden müssen, ist offen.

 

Anrechnung von Auslandszeiten zur freiwilligen Krankenversicherung: Rundschreiben des Spitzenverbandes der GKV-DVKA

Für die Anwendung des europäischen Rechts auf deutsche Sozialleistungsträger gibt es viele Rundschreiben des Spitzenverbandes der GKV. Zu den Fragen der Anrechnung von Vorversicherungszeiten siehe das Rundschreiben Nr.239/2010 des GKV Spitzenverbandes.

 

Anrechnung von Auslandszeiten zur freiwilligen Krankenversicherung: Wohnsitz oder nicht?

Grundsätzlich findet nach der VO: 883/2004 das Recht Anwendung, in dem der Arbeitnehmer oder Selbstständige arbeitet. Es gilt grundsätzlich das Recht, in welchem die Arbeit tatsächlich ausgeübt wird. Wenn die Sigrid Sorglos in London arbeitet und ihren Wohnsitz in Deutschland hat, gilt für sie nach der VO 883/2004 das britische Recht über die Sozialleistungssysteme (NHS). Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, in welchem Staat der Arbeitnehmer wohnt oder wo sein Arbeitgeber seinen Sitz hat.

Besondere Regelungen sehen die Verordnungen im Bereich der Entsendung von Arbeitnehmer vor, die an dieser Stelle aber nicht besprochen werden sollen.

 

Anrechnung von Auslandszeiten zur freiwilligen Krankenversicherung: Nachweis der Vorversicherungszeiten in Großbritannien

Damit Sigrid Sorglos ihre 12 Kalendermonate Vorversicherungszeit für die Mitgliedschaft in der der freiwilligen KV angerechnet bekommt, bedarf es eines Nachweises dieser Zeiten aus England. Dazu muss Sorglos die Vordrucke E 104 oder SED S 041 der neuen Krankenkasse vorlegen. Dies müsste durch die bisherige Krankenkasse ausgefüllt werden. Für die Anwendung der Verordnung 883/2004 gilt die Durchführungsverordnung 987/ 2009.

Dort legt Artikel 5 Absatz 1 die Rechtswirkung von durch einen Mitgliedstaat ausgestellten Unterlagen/Dokumente fest, in welchem der Status einer Person nach der Grundverordnung 883/2004 festgelegt wurde. Diese belege und Dokumente sind für die Träger des anderen Mitgliedstaates solange verbindlich, wie diese von dem Mitgliedstaat welche sie ausgestellt hat, nicht widerrufen oder für ungültig erklärt hat.  Entsprechende Übersetzungskosten gehen dabei zulasten der Krankenkasse, bei der der Antrag auf freiwillige Versicherung gestellt wird (vgl. Art. 76 Abs. 7 der EG-Verordnung Nr. 883/2004 bzw. Art. 84 Abs. 4 der EWG-Verordnung Nr. 1408/71).

 

Anrechnung von Auslandszeiten zur freiwilligen Krankenversicherung: Anschlussversicherung nach § 5 I Nr. 13 SGB V

Wenn eine freiwillige Krankenversicherung nicht zustandekommt, muss die Krankenkasse die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung im Einzelfall über den § 5 Absatz 1 Nr. 13 SGB V Anschluss/Auffangversicherung prüfen. Welches in den Fällen der Auslandsberührung rechtlich sehr schwierig ist.

 

Fazit

Es gelten die Versicherungszeiten, die in einem EU-Staat nach der VO 883/2004 zurückgelegt worden, für bestimmte sozialrechtliche Sachverhalte in anderen Mitgliedstaaten. So zum Beispiel für die Vorversicherungszeiten in der freiwillig gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland.

Eine Anschlussversicherung nach § 188 Absatz 4 SGB V findet bei Auslandsbezug keine Anwendung.  Die Rechtslage ist kompliziert und nicht einfach. Es ist eine sorgfältige Prüfung der Frage eines Wechsel von der PKV in die GKV anhand der persönlichen Voraussetzungen und Wünsche durchzuführen. Grundsätzlich ist der Wechsel eines über 55-Jährigen Menschen, der schon viele Jahre in der PKV privat versichert ist, rechtlich möglich.

Eine Wechselgarantie kann es aber nicht geben, weil nicht jeder Versicherte, die entsprechenden Voraussetzungen für die Rückkehr in die GKV im Einzelfall erfüllt.

 


Sie möchten erfahren, ob und wie Sie in die gesetzliche Kranken­versicher­ung wechseln können?

Unsere Anwälte und gerichtlich zugelassene Rentenberater beraten Sie!

Jetzt in die GKV wechseln

 


 

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

Modell Private Krankenversicherung vor dem Aus?

 Kosten­explosion der PKV-Prämien für 2019

Beitragsschock – 42,5 Prozent Erhöhung in der Pflegeversicherung

 Vorsicht Falle: Bei Wechsel über den Weg der Familienversicherung

Drei Vorschläge zur Änderung der Beitragspflicht bei Betriebsrenten

Sind Beitragserhöhungen der privaten Krankenkassen immer rechtens?

Der Basis­tarif der privaten Kranken­versicherung – Eine Armutsfalle?