Ein Bericht von rentenbescheid24.de
Bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze wird im allgemeinen das Ausscheiden aus der GKV Versicherungspflicht begründet, wenn der Arbeitnehmer bezogen auf das laufende oder künftige Kalenderjahr mehr Arbeitsentgelt verdient, als die vom Gesetzgeber gezogene Pflichtversicherungsgrenze (Jahresarbeitsentgeltgrenze). Diese liegt im Jahr 2019 bei 60.750€. Wer als Krankenversicherungspflichtiger Arbeitnehmer bis zu dieser Grenze verdient, bleibt Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung. Oder möglicherweise auch diese Grenze unterschreitet, kann auch wieder in die gesetzliche Versicherungspflicht hineinrutschen. Dabei sind aber auch die Vorschriften der allgemeinen Versicherungsfreiheit nach § 6 Absatz 3 a SGB V zu beachten (55. Lebensjahr usw). Versicherungsrechtlich zieht das Ausscheiden aus der KV-Versicherungspflicht auch das Ausscheiden in der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung nach sich.
Oftmals stellt sich für die Versicherten die Frage, welche Auswirkungen es auf die Krankenversicherungsfreiheit nach § 6 Absatz 1 Nr. 1 SGB V hat, wenn er eine Gehaltserhöhung im laufenden Jahr bekommt. Und dann rechnerisch über diese Jahresarbeitsentgeltgrenze steigt.
Susi Fleißig geht Vollzeit ab dem 01.01.2018 arbeiten und verdient monatlich 5.200€ Brutto. Für das Jahr 2018 hätte Susi die bestehende JAEG 2018 = 59.400 € überschritten. Ab dem 01.01.2019 soll sie eine Gehaltserhöhung auf 5.300€ Brutto vertraglich bekommen. Auch hier wäre die JAEG für 2019 in Höhe von 60.750€ mit dem Jahreseinkommen der Susi für 2019 überschritten. Sie teilt am 01.12.2018 ihrem Arbeitgeber mit, dass sie schwanger ist. Der voraussichtliche Entbindungstermin ist im Juni 2019. Es stellt sich für Susi die Frage, ob sie unter diesen Umständen ab dem 01.01.2018 aus der Versicherungspflicht in der gesetzlichen KV ausscheidet und freiwillige Beiträge an ihre KV zahlen muss? Susi wird für 99 Tage Anspruch auf Mutterschutzgeld haben. Der Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld ist nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung kein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt. Der Einnahmeausfall für Susi beträgt im Jahr 2019 ca. 16.000€.
Nach dem nach Urteil des BSG vom 07.06.2018 wird Susi weiterhin gesetzliches Mitglied in der GKV bleiben. Denn zum Zeitpunkt des Jahreswechsels 2018 zu 2019 steht fest, dass Susi im Juni ein Kind gebären wird. Damit wird sie prognostisch einen Einnahmeausfall für die Zeit der Mutterschutzfristen haben. Der Arbeitgeberanteil, den Susi zum Mutterschutz erhalten kann, wird nicht angerechnet.
In § 6 Absatz 1 Nr. 1 Satz 1 SGB V steht geschrieben:
Die Jahresarbeitsentgeltgrenze wird überschritten:
„Versicherungsfrei sind Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 und 7 übersteigt…..“.
In § 6 Absatz 4 Satz 1 und 2 SGB V ist gesetzlich beschrieben, welche Rechtsfolge eintritt, wenn die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird. Dann endet die Versicherungspflicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie überschritten wird. Dies gilt immer dann nicht, wenn das (neue) Entgelt die vom Beginn des nächsten Kalenderjahres geltende JAEG nicht übersteigt.
Die wichtige Frage ist im Zusammenhang mit einer Lohn- oder Gehaltssteigerung, wie und wer die Prognose zur Feststellung des zukünftigen Jahresarbeitsentgeltes festzustellen hat.
Generell gilt folgendes:
An dieser grundsätzlichen Vorgabe hält das BSG in seiner Entscheidung fest. Es differenziert im Weiteren für die Prognoseberechnung.
Dabei stellt das BSG unter anderem auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses ab. Dem Arbeitgeber unterliegt die Prüfungspflicht, ob bei Beginn des Arbeitsverhältnisses die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird oder nicht.
Das Bundessozialgericht sagt auch weiterhin, dass nur auf das zustehende oder vereinbarte Arbeitsentgelt abzustellen ist. Nur auf Basis dieses Arbeitsentgeltes kann einer Prognoseentscheidung durchgeführt werden. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (wie Weihnachtsgeld / 13. Monatsgehalt usw.) ist nur berücksichtigungsfähig, wenn es mit hinreichender Sicherheit mindestens einmal jährlich zu erwarten ist. Diese Berechnungsgrundsätze gelten auch für das kommende Kalenderjahr, wenn im laufenden Kalenderjahr die Versicherungsfreiheit feststeht.
Besteht bei einem laufenden Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt Versicherungspflicht in der GKV, so endet diese Versicherungspflicht bei einer Entgelterhöhung erst mit Ablauf des Kalenderjahres des Überschreitens der JAEG. Weitere Voraussetzung ist noch, dass auch die neue Jahresarbeitsentgeltgrenze des nächsten Kalenderjahres mit dem zu erwartenden Arbeitsentgelt überschritten wird, § 6 Absatz 4 Satz 2 SGB V.
Wer als Arbeitnehmer die Versicherungspflichtgrenze überschreitet und in der GKV versicherungsfrei ist, sollte auf keinen Fall voreilig noch generell auf die Versicherungspflicht verzichten. Ein solcher Verzicht ist mit größter Vorsicht zu genießen. Er kann für die Zukunft eine Rückkehr in die gesetzliche KV bei bestehender Mitgliedschaft in der PKV verhindern oder deutlich erschweren.
Die Klägerin war seit 2003 versicherungspflichtiges Mitglied bei der Barmer Krankenkasse. 2012 hatte sie ein Bruttoarbeitsentgelt von 50.776 Euro. 2012 teilte sie ihrer Arbeitgeberin mit, dass sie schwanger sei. 2013 meldete ihre Arbeitgeberin sie bei der Klägerin als versicherungsfrei wegen Überschreitens der JAEG an. Ab dem 22.3.2013 befand sich die Klägerin im Mutterschutz. Danach war sie in Elternzeit und bezog Elterngeld. Mit verschiedenen Beitragsbescheiden verlangte die Barmer von der Klägerin freiwillige Beiträge zur KV. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie machte geltend, dass sie auch 2013 weiter versicherungspflichtig Mitglied in der gesetzlichen KV der Barmer war. Und zwar in der Zeit des Mutterschutzes und der Elternzeit nach den Vorschriften des § 192 SGB V. Und zwar als kostenfreie Mitgliedschaft!
Die Klägerin bekam vor dem BSG Recht. Sie war kostenfreies Mitglied in der Barmer. Sie war kein freiwilliges Mitglied in der beklagten Krankenkasse. Die Versicherungspflicht der Klägerin endete nicht wegen Überschreitens des Jahresarbeitsentgeltgrenze. Denn die Prognoseentscheidung für das kommende Beschäftigungsjahr berechnet in der Regel zu erwartendes Jahresarbeitsentgelt hoch. Zu berücksichtigen ist aber nur der Verdienst, bei dem zu erwarten ist, dass er bei normalem Verlauf voraussichtlich ein Jahr anhalten wird. Ziel der Prognose ist es, das Jahresarbeitsentgelt möglichst nahe an der Realität für das folgende Kalenderjahr zu bestimmen.
Das Bundessozialgericht urteilte daher, dass das Landessozialgericht zu Recht den Entgeltausfall auf Grund der Mutterschutzfristen berücksichtigt hat. Wegen der durch die Entbindung eingetretene Arbeitsausfall wäre bei der Klägerin die betreffende JAEG 2013 von 52.200€ unterschritten worden. Denn zu Beginn des neuen Kalenderjahres stand fest, dass die Klägerin schwanger war. Der Entgeltausfall durch den Mutterschutz ist laut BSG bei der Prognoseberechnung zu berücksichtigen.
Die zum Zeitpunkt der Prognose maßgebenden Verhältnisse sind zu berücksichtigen. Aber auch die objektiv feststehende oder mit hinreichende Sicherheit absehbaren Entgeltveränderungen sind zu berücksichtigen. Dazu gehören auch:
Deshalb blieb die Klägerin Mitglied in der GKV-Barmer und zwar als beitragsfreies Mitglied. Die Beitragsfreiheit ergibt sich aus § 224 SGB V.
Ja, ich möchte wissen, wie ich aus der PKV in die GKV wechseln kann?
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